Schrift als Ruderboot...

ཟབ་ཡངས་ཡོན་ཏན་རྒྱ་མཚོའི་འཇིངས༎
བགྲོད་པའི་གཟིངས་ཆེན་ཡི་གེ་སྟེ༎
རྟག་ཏུ་བརྩོན་འགྲུས་སྐྱ་འདེབས་ཀྱིས༎
བརྡ་དག་ཕ་མཐར་མྱུར་དེངས་ཤིག༎

"Das große Schiff, um zum Zentrum des Ozeans der tiefgründigen und weiten Tugenden zu gelangen, ist die Schrift. Indem Du immerzu die Ruder der Anstrengung einsetzt, eile schnell hinüber, über die Buchstaben hinaus."


Diesen tiefsinnigen Vers fand ich als Vorwort in einem Schulbuch des Drepung Loseling Klosters. Er erinnert mich an einen Vers des Mahasiddhas Saraha:

"An Buchstaben gebunden ist die ganze Welt, keiner ist ein Analphabet. Man muss solange mit den Buchstaben spielen, bis man ein Alphabet-loser wird."

Die Tibeter übersetzen den indischen Vers etwas freier, was den Inhalt um ein paar Subtilitäten erweitert:

" Buchstaben-Wesen ausnahmslos; auch nicht einen ohne Buchstaben gibt es;

wenn man sich zu einem Buchstaben-losen wandelt, dann begreift man die Buchstaben vollkommen."


Was soll denn das bedeuten, mag man sich fragen, und den Kopf schütteln. Tatsächlich ist es nicht möglich, in Worten, Buchstaben, Begriffen, auszudrücken, was Erleuchtung bedeutet. Das Sanskrit-Wort akshara heißt "Schriftzeichen", Tibetisch yi ge . Mit aksharas fixiert man silbische Laute, die zusammen Worte ergeben. Ab wann ist ein Laut ein Wort? Die heilige Silbe Om und all die "Keimsilben", sie sind noch ungeformte, rohe, abstrakte Zeichen, ein Zustand vor dem Wort, ein Zustand zwischen Laut und Wort und ein Zustand zwischen Idee und Formulierung. Sowie man eine Bezeichnung für etwas bildet, hebt man es aus dem Kontext heraus, ohne den es nicht bestehen kann. Dualismus entsteht. Der Geist schafft sich zeitliche und andere Kategorien mithilfe von Bezeichnungen, Worten, die jedoch die nicht-dualistische, anfangs- und endlose, vom Zusammenhang ungetrennte Wirklichkeit verfälschen. Darin besteht die "Verblendung", und ihre Wirkung zeigt sich darin, dass wir nur mehr in Begriffen denken, anstatt zu sehen, dass  anfangs- und endlos sich wandelnde Objekte durch Bezeichnungen nicht wirklich erfasst werden können. Wie kann man sich ein höheres Bewusstsein vorstellen, das ohne Worte begreift und denkt, und gleichzeitig Worte als das begreift, was sie wirklich sind?


Man denkt zwangsläufig an die kryptische Einleitung des Johannes-Evangeliums: "Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort..." Sehr spannend.





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Kommentare: 6
  • #1

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